Die komplexe Natur kultureller Identität bei der Auslandsentsendung und Migration

In einer zunehmend globalisierten Welt, in der Mobilität und Migration zur Norm werden, steht die Frage nach kultureller Identität im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen. Nationalität allein reicht oft nicht aus, um die Vielschichtigkeit der kulturellen Identität eines Individuums zu erfassen. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die verschiedenen Facetten dieses komplexen Themas.

Die kulturelle Identität eines Menschen wird nicht nur durch seine Nationalität bestimmt, sondern auch durch eine Vielzahl anderer Faktoren. Diese können von der familiären Herkunft über den Bildungshintergrund bis hin zu persönlichen Erfahrungen im Ausland reichen. Sozialisation findet in verschiedenen kulturellen Kontexten statt, was dazu führt, dass Menschen oft mehrere kulturelle Identitäten haben können.

Ein interessantes Beispiel hierfür sind sogenannte „Third Culture Kids“ (TCKs), die in einem anderen Land aufwachsen als ihre Eltern. Für sie ist die Frage nach der eigenen Identität oft besonders komplex, da sie Elemente verschiedener Kulturen in sich tragen. Sie können sich sowohl mit der Kultur ihres Gastlandes als auch mit der ihrer Eltern identifizieren, ohne sich ausschließlich einer zugehörig zu fühlen.

Die Bedeutung des Begriffs „Heimat“ spielt eine wichtige Rolle in der Diskussion um kulturelle Identität und Migration. Für viele Menschen, die im Ausland leben oder aufgewachsen sind, ist „Heimat“ ein emotional aufgeladener Begriff, der mit Gefühlen der Zugehörigkeit und des Verständnisses verbunden ist. Die Definition von „Heimat“ kann jedoch je nach individuellem Hintergrund und persönlichen Erfahrungen variieren.

Migration birgt sowohl positive als auch negative Auswirkungen für diejenigen, die sich auf den Weg machen. Die Art und Weise, wie sich der Umzug auf das Individuum auswirkt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter die Umstände der Migration, die persönlichen Resilienzfaktoren und das soziale Netzwerk des Einzelnen.

In der psychoanalytischen Perspektive spielen auch die individuellen Persönlichkeitsmerkmale eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Veränderungen durch Migration. Menschen können unterschiedlich auf die Herausforderungen reagieren, die mit einem Umzug verbunden sind, je nachdem, ob sie eher zu „oknophilen“ oder „philobatischen“ Typen neigen.

Ein oknophiler Mensch klammert sich an Objekte und Dinge und besetzt diese mit mehr als ihrer ursprünglichen Umweltbedeutung und sucht in ihnen und durch sie Schutz und Halt. Der philobatische Mensch ist jemand, der als „objektschwach “ gilt. Die Vase der Tante Mina bleibt primär eine Vase und wird nicht mit emotionalen Kontexten besetzt. Weiters wird dem Philobaten Angstlust, Nervenkitzel und eine Suche aus der Sicherheitszone zugeschrieben. Zur Angstlust ist auch ein Prozess, zu dem auch die Überwindung der Angst, sich aus der Komfort- und Sicherheitszone zu bewegen und eine Lustbesetzung in dem Erleben von neuen Erfahrungen gerechnet wird.

Wenn man eine zeitliche Prozessebene einfügt bedeutet, dass ein oknophiler Typus zwar am Anfang zu Schwierigkeiten neigen könnte, jedoch mit einem repräsentativen Transfer auf neue Bindungsobjekte sich gut eingewöhnen kann. Der Philobat hingegen kann unruhig werden, nachdem der Glanz des Neuen nachgelassen hat.

Je nachdem wie stark der/die Migrant*in dem einen oder anderen Typen zugeordnet wird, können bei „objektstarken“ Personen verschiedene Arten von Angstzuständen leichter getriggert werden:

  1. Trennungsängste,
  2. Über-Ich-Ängste hinsichtlich Loyalitäten zur Familie, Freunden aber auch Institutionen und dem Heimatland,
  3. Verfolgungsängste durch eine Konfrontation mit etwas Neuem und Unbekannten,
  4. depressive Angst, getriggert durch die Trauer um das, was man zurückgelassen hat, also Objekte, aber auch Teile von einem Selbst, Erfahrungen und kulturelle Rituale, die man aufgrund des Ortswechsels nicht machen kann,
  5. Verwirrungsangst, die entstehen kann, wenn man altes von neuem nicht mehr unterscheiden kann

Es ist wichtig anzumerken, dass bei und nach Auslandsentsendungen das Finden der eigenen kulturelle Identität nicht einheitlichen Antworten erfolgt. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Thema, das eine differenzierte Betrachtung und Beratung erfordert. Durch den Austausch von Erfahrungen und Perspektiven können wir jedoch dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Vielfalt der menschlichen Identität in in uns in einer globalisierten Welt zu entwickeln.